Ratzeburger Abkommen
Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz einerseits und die gewählten Ratsherren der Hansestadt Lübeck andererseits, von dem Wunsche geleitet, die bestehende Freundschaft zu fördern und die sozialen Probleme der Zeit zu bekämpfen, haben beschlossen, zu diesem Zwecke den nachfolgenden Vertrag abzuschließen:
Artikel 1.
Dem Zuständigkeitsbereich der Sozialkommission des Großherzogtums Mecklenburg-Strelitz und der ihr unterstellten Fürsorge-Organisationen wird neu die Hansestadt Lübeck hinzu gefügt. Lübeck wird in besagte Kommission besoldete Beamte der Stadt entsenden, die ihre Interessen wahrnehmen und der Kommission als vollwertige Mitglieder angehören.
Artikel 2.
Kosten, die der Sozialkommission durch Einsätze in Lübeck entstehen, sind von ihr separat auszuweisen und werden entsprechend von der Stadt Lübeck bezahlt.
Artikel 3.
Die Hansestadt Lübeck beteiligt sich am Vorsorgesystem gegen Hungersnöte, das vom Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz betrieben wird. Es wird ausdrücklich festgelegt, dass die Vorratslager in Lübeck und dem Fürstentum Ratzeburg zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen sind und die Hilfen von beiden Seiten nicht an der Stadtgrenze gestoppt werden.
Artikel 4.
Das Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz finanziert den Aufbau der Vorratslager in Lübeck mit 500 G. Ihren Unterhalt übernimmt danach die Sozialkommission, welche die Kosten entsprechend Artikel 2 aufteilt.
Artikel 5.
Die Hansestadt Lübeck bezieht die Nahrungsmittel für die Notvorräte über die Sozialkommission im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz und genießt damit die selben Zahlungsbedingungen wie die Lager im Großherzogtum selbst.
Artikel 6.
Lübeck unterstützt das Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz beim Aufbau eines Schulsystems, indem es diesem unbeschränkten Zugang zu der lübeckschen Stadtbibliothek gewährt und, sofern dies nachgefragt wird, Ausbildungsplätze an der Navigationsschule Lübeck zur Verfügung stellt.
Artikel 7.
Da geplant ist der Sozialkommission in Zukunft auch die medizinische Versorgung zu unterstellen, erhält die Stadt Lübeck das Recht sich auf Wunsch an diesem Projekt ebenfalls zu beteiligen. Dies ist zum betreffenden Zeitpunkt in einer Zusatzvereinbarung zu regeln.
Ratzeburg, den 2. Februar 1826
Für die Hansestadt Lübeck
Peter Hinrich Tesdorpf, Ratsherr von Lübeck