Es ist noch ziemlich kühl hier draußen, doch die Sonne ist schon aufgegangen. Ich bin wirklich erleichtert, wieder einen Himmel über meinem Kopf zu haben. So schnell wir können laufen Joe und ich in die Wüste hinein. Hauptsache, weit weg von der TORONTO.
Nach einer Weile bleiben wir hinter einer Sanddüne stehen und verschnaufen.
"Hier können sie uns erstmal nicht sehen", keucht Joe und stützt sich, nach vorne gebeugt, mit den Händen auf seinen Knien ab. "Aber wie geht es jetzt weiter?"
Auf diese Frage weiß ich spontan keine Antwort. Darum spähe ich erst einmal in der Gegend umher und versuche mich zu orientieren. Doch es ist weit und breit nichts zu erkennen, das mir zeigt, wohin wir gehen müssen. Kein Meer, auch keine Gebirgszüge, keine Pflanzen. Nichts außer Sand und Steinen. Und der TORONTO, selbstverständlich.
"Wir müssen versuchen, zu meinen Gefährten zurück zu kommen", erkläre ich Joe ohne zu wissen, wie wir das schaffen sollen.
"Aha." Er blickt mich skeptisch an und scheint auf weitere Ausführungen von mir zu warten.
"Das Shuttle hat mich am Rand des Gebirges aufgelesen, das den Nord- vom Südteil dieser Wüsteninsel trennt. Wir müssen also nur nach Norden wandern..." Mehr sage ich nicht, denn ich bin mir der Schwierigkeit dieser Unternehmung in unserer gegenwärtigen Lage bewusst.
"Und wo ist Norden?", fragt Joe und schaut in die Sonne. Nach der Überprüfung des Sonnenstands gibt er sich selbst eine Antwort, indem er in eine Richtung zeigt. "Dort."
Ich schaue angestrengt in die selbe Richtung. Beim besten Willen kann ich dort kein Gebirge erkennen.
"Ich war bewusstlos, als sie mich in dem Shuttle hier her transportierten. Keine Ahnung, wie weit die Strecke war."
Ernst blicken Joe und ich noch eine Weile in die Richtung. Dann sehen wir einander an, denn wir müssen eine Entscheidung treffen.
"Was meinst du?", frage ich zuerst und bringe damit Joe in Zugzwang.
"Ich weiß nicht... so eine Wüstenwanderung birgt viele Gefahren. Wir wissen nicht, ob wir für den Weg wenige Stunden oder einige Tage brauchen werden. Wir haben kein Wasser und nichts zu essen, keine Ausrüstung, keinen Sonnenschutz und außerdem keine Ahnung, wo wir eigentlich sind. Außerdem: gibt es hier wilde Tiere?"
Bei Joes Worten kaue ich auf meiner Unterlippe herum, bis ich einen metallischen Geschmack im Mund habe. Ich seufze. "Wir wissen beide, dass es keine Garantie dafür gibt, dass wir lebend wieder aus dieser Wüste herauskommen. Auch kann ich nur hoffen, aber nicht versprechen, dass wir Drirr und die anderen finden. Wer weiß, ob sie auf mich warten oder nach mir suchen..."
"Mmh", murmelt Joe.
Plötzlich kommt mir eine Idee. "Können wir nicht einfach ein Shuttle entwenden?" In Gedanken sehe ich mich schon am Steuer eines der kleinen und wendigen Flugobjekte, die zu fliegen mein eigentlicher Beruf ist.
"Und wie willst du das machen? Wir müssten wieder rein ins Schiff und irgendwie in den Hangar gelangen. Die schnappen uns, bevor wir überhaupt erst wieder den Boden der TORONTO betreten haben!"
Ich spüre, wie mich der Mut verlässt. "Ich wünschte, wir könnten einfach zurück zur TORONTO spazieren und die ganze Angelegenheit diplomatisch klären."
"Ja, das würde Ned und Käpt'n Brandt so passen", erwidert Joe grimmig.
"Die würden uns sicherlich einsperren, aber es würde uns gut gehen", versuche ich meinen närrischen Gedanken zu verteidigen. "Wir würden den Rest der Mission in einem goldenen Käfig verbringen und müssten sicherlich nicht verdursten oder erfrieren."
Joe sieht mich entgeistert an. "Und dann?"
Betreten blicke ich zu Boden.
"Glaubst du, sie würden uns, zurück auf der Erde, einfach so freilassen? Damit wir alles ausplappern können?"
"Nein, aber-"
"Entweder, sie führen mit uns irgendwelche Gehirnwäscheexperimente durch, damit wir uns an nichts mehr erinnern können, oder, und das halte ich für wahrscheinlicher, sie räumen uns gleich aus dem Weg. Das hatte Ned ja sowieso schon vor."
Bei diesen Worten habe ich unwillkürlich das Bild des Androiden vor Augen, der mit der Pistole auf uns zielte. Dutzende weiterer Androiden würden sicherlich das gleiche tun, sollten wir tatsächlich auf die TORONTO zurückkehren.
"Außerdem... wenn wir zurück gingen, wäre Hofstedt verloren."
Rainer! Der sitzt jetzt sicherlich mit den Dji Cantos zusammen und ahnt nichts von unserer brenzligen Situation.
Ich atme tief durch. "Wir haben also die Wahl. Wenn wir uns der TORONTO stellen, werden wir beide vielleicht sterben, vielleicht auch nicht. Das gleiche gilt für Rainer. In jedem werden aber dieser Planet und unser Wissen über ihn ausgelöscht.
Wenn wir in die Wüste gehen... ja, wo ist eigentlich der Unterschied? Es würde doch genau das gleiche passieren!"
"Der Unterschied ist..." Auch Joe kommt ins Grübeln. "Wenn wir vor Ned kapitulieren, dann haben wir und Hofstedt und dieser Planet schon verloren. Wenn wir aber die Strapazen der Wüste aufnehmen, besteht wenigstens noch eine kleine Chance."
"Also versuchen wir's?", frage ich und blicke in die weite Wüste hinein.