Zitat von
Edvin Voglsang
Die "weiße Stadt", "Lichtstadt", oder die "Stadt der Leuchtenden" wie sie ihrer Herrscher wegen auch genannt wird, bestet durch und durch aus weißem Gestein, ähnlich dem Marmor. Kein Balkenholz, nicht einmal das kleinste Brett schein in der Stadt verbaut zu sein. Auch wirkt die Stadt so tot wie die Wüste in der sie steht: Kein Baum, kein Strauch, kein Kraut wächst in dieser Stadt. Was nicht aus Stein ist, ist eben so weiß: Die Vorhänge in den Fenster sind weißer als die feinste Elfenseide. Ebenso die Fahnen und Banner der Stadt, welche auf den Türmen wehen und über den Toren pragern. Kein Wappen schmückt sie, nur das leere Weiß der Leuchtenden.
Um nicht zu Erblinden wie die Erleuchteten, trug ich ab meinem zweiten Besuch ein dünnes, braunes Leinen vor den Augen und begrenzte meine Zeit in der Stadt stets auf maximal zwei Tag, was schwer war ohne Hilfsmittel abzuschätzen, den in der Stadt wird es niemals dunkel, noch schläft irgendwer. Aber wie auch wenn es steht so Hell ist wie zur Mittagssonne? Doch das ist das was mich am wenigsten an den "Bewohnern", den Erleuchteten, den Geblendeten, erschreckt hat: Ihr Erscheinungsgestalt ist ja allgemein bekannt: Langes weißes Haar, lange weiße Bärte bei den Männern, weiße, leere Augen und eine hagere, fahle Gestalt. Letztere begann erst hier Sinn zu ergeben! Während ich sie in der Heimat und an den Höfen der König durchaus habe Nahrung zusich nehmen, isst und trink hier niemand etwas und doch bleiben sie bei Kräften. Ja, ich slebst musste mich zum regelmäßigen Essen und trinken zwingen. Wenn man sich nun fragt, ja wenn sie weder schlafen, noch Essen, was tun die Geblendeten dann den ganzen Tag? Dann muss ich sagen: Nichts. Wie Geister der Vergangenheit ziehen sie alleine und schweigend durch die Straßen, manchmal setzen sie sich auf die steinernen Bänke und starren ins Leere. Sprach ich sie an, so schauten sie mich mit ihren toten Augen nur kurz an, wandten sich dann aber schweigend ab und gingen weiter. Beängstigend.
Ebenso beängstigend ist die Geschwindigkeit mit der die "Erleuchtung" und den Körperlichen Veränderungen einsetzen. Bei meinem dritten Besuch, ein Monat nach dem ersten, stieß ich auf Malik, dem Wüstenführer, den ich mit meinen anderen Gefährten damals verlor. Sein einst pechschwarzes Haar war nun so weiß wie das aller anderen, auch sein Körper zeigte deutlich das fehlen der Nahrungsaufnahme und sein Augenlicht war ebenso verschwunden. Nach dieser schauderhaften Begegnung, verschwand ich sofort aus der Stadt und kehrte erst drei Monate später wieder zurück. Diesmal sah ich auch das erste Mal Leuchtende in der Stadt. Ich weiß nicht ob sie zuvor nicht da waren, oder sich mir nicht zeigten, jeden Falls erlebte ich wie ein Leuchtender mit einem Erleuchteten zu sprechen schien. Aber nur schien, denn auch wenn der Erleuchtete zwar seine Lippen bewegte, so vernahm ich keinen Laut aus seinem Mund, obwohl ich in meinem Versteck nah genug war um ein Gespräch hätte belauschen zu können. Dabei Bemerkte ich wie immer mehr Licht aus der tiefen Kaputze des Leuchtenden zustrahlen schien. Leider beugte ich mich dann zuweit vor, verlor mein Gleichgewicht, stolperte und machte so den Leuchtenden auf mich aufmerksam, welcher direkt und in einer unnatürlich Geschwindigkeit und schier bewegungslos auf mich zu kam. Wie ein Stück Stoff was man an einer Schnur herangezogen hätte. Und für einen kurzen Augenblick konnte ich ihn auch tatsächlich ansehen: Pures Licht strömte aus dem langen weißen Gewand und nichts als Licht befand sich unter der Kaputze - kein Gesicht, kein Körper, nur Licht. In diesem Augenblick merkte ich wie er versuchte in meinen Kopf zu dringen. Wiedermal floh ich so schnell ich konnte aus der Stadt. Dabei schienen die Leuchtenden mich zu verfolgen, ja gar fangen zu wollen, zumindest bis zu den Stadttoren. Bei diesem Besuch verlor ich auch mein Tagebuch und all meine bis dato geführten Notizen. Die wie ich später feststellen sollte auch aus dem Versteck wo ich sie verlor entwendet wurden.
Doch im nächsten Versuch sollte ich erstmal kaum über das Stadttor hinweg rein kommen, dein die Leuchtenden schienen nur Patrolie zu gehen und kaum dass mich einer von ihnen entdeckte schwebten weitere herbei. Sie zischten mich aus und drängten mich hinaus.
Fort an kletterte ich über die Mauer in die Stadt, was sich als Vorteil herausstellen sollte, denn so bekam ich einen Überblick die Stadt und konnte erstmal das Zentrum der Stadt erblicken und verstand wieso ich zuvor nie über den äußeren Ring heinaus in die Stadt kam: Die Stadt ist wie ein riesiger Irrgarten aufgebaut. Kein Wunder dass ich meine Begleiter be ersten Besuch verlor. Diese armen Seelen.
Das Zentrum der Stadt war ein riesiger Plalast mit einem großen Kuppelbau in seiner Mitte. Von dieser Kuppel schien alles Licht auszugehen, war es dort doch am hellsten. Nachdem ich mich bis zum Palast vor arbeiten konnte erkannte ich, dass es sich viel mehr um eine Art riesige Bibliothek handelt: Denn in ihrem Inneren, erblickte ich durch den Fenster, war alles voll mit steinernen Regalen, uber und über gefüllt, mit Büchern, Pergamentrollen, Steintafeln und sonstigen Schriftdokumenten. Mir wurde klar: Hier muss wirklich alles Wissen der Welt lagern. An den Lesepulte standen Erleuchtete und studierte die Schriften, Leuchtende gingen wie Bibliothekare zwischen den Gängen umher und schienen den Gästen der Bibliothek weiter zu helfen, ja sogar manchmal als würden sie ihnen schwer verständlich Texte erklären.
Ich stattete noch zwei weitere Besuche ab um mir einen Plan zu erarbeiten wie ich ins Innere der Bibliothek gelagen könnte ohne erwischt zu werden.
Heute werde ich es wagen, wohl wissend dass ich Gefahr laufe auch geblendet zu werden, weshalb ich euch diesen Brief hinterlasse für den Fall dass ich nicht wiederkehre. Sollte dies passieren, so lasst es euch eine Wahnung sein und folgt mir nicht nach. Euer Augenlicht und euer Verstand wird es euch danken.